| Textbeispiel |  | Susanne Sölter | Auf der Spur bleiben | Bjarne Reuter erhält den Deutschen Jugendliteraturpreis für Hodder der Nachtschwärmer |  | Wie erfrischend und tröstlich, daß ein stilles Kinderbuch mit dem diesjährigen Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde! Besonders sympathisch vielleicht auch nach all dem Wirbel um Potter, der ja selber wirklich keine Schuld hat an all dem Spektakel um ihn herum. Egal - Hodder ist eh über jeden Vergleich erhaben, auch wenn er sich zufällig auf Potter reimt. Denn jeder Mensch ist einzigartig. Nachzulesen in Bjarne Reuters gesammelten Werken. Aber bitte Unsichtbares mitlesen! Denn sichtbar machen, was nicht leicht zu erkennen ist - das ist die Spezialität des Dänen, der für Kinder und Erwachsene schreibt. Und damit der skandinavischen Tradition folgt, Kinderliteratur ebenbürtig zu bewerten. |  | Vor fünfzig Jahren wurde Bjarne Reuter bei Kopenhagen geboren und entdeckte im zarten Alter von zehn Jahren das Schreiben für sich. Er zeichnet den Menschen mit all seinen Fehlern, Macken und liebenswerten Seiten. Inspiriert von seinen vier Kindern? Das bleibt offen. Auf jeden Fall dächte er beim Schreiben überhaupt nicht an das Alter seiner Leser. Am meisten aber freut ihn, daß dieser Preis ihm bestätigt, auf seiner Spur bleiben zu können (O-Ton: "to feel able to stay on the track"). |  | Auf der Spur von Menschen und Allerweltstypen wie Lola, Kamma, Hodder. Zum Beispiel auch das achtundsiebzigjährige Leben eines Eigenbrödlers zu verfolgen. Auslöser ist die anonyme Morddrohung am Morgen, Rückblende und Gegenwart vereinen sich quasi im Zeitraffer, an nur einem einzigen Tag. Der Leser wird Mitwisser: Ich bin Mensch, nichts Menschliches ist mir fremd - auch das scheint ein Reuter-Motto. |  | Auf die Figur Hodder indes brachten ihn die vielen Hodders auf der Welt. Denen sei sie gewidmet: Wir alle kennen so einen, der auf der Schule ein Niemand ist, akzeptiert werden und teilhaben möchte an der Welt. Bereits nach fünf Zeilen hat der Buch-Hodder den Leser auf seiner Seite und wenigstens einen Verbündeten, ohne daß Hodder sich einschleimen mußte. Denn das, so glauben seine Schulkumpels, tut er bei Lehrern. Und gleich auf Seite eins lernen wir auch die Fee und ihre Botschaft kennen: Hodder sei auserwählt, die Welt zu erretten! Nicht nur der Retter in spe reibt sich bei diesen erhabenen Worten die Augen, auch der Leser. Hodders Flucht ins Märchenhafte sei eine Erfindung solche Gedanken vermutet der Autor beim Leser. Nein, so ist es aber nicht. Vielmehr ist es sein Geheimnis, diese große Aufgabe, die da auf ihn wartet. |  | Solange also fassen wir Leser uns in gespannte Geduld, erleben unseren einsamen Sonderling in manch trostloser Schulstunde, in seiner Bewunderung für den starken Philipp und umzingelt von lauter Fettnäpfchen. Farbe indes bringt ein unwiderstehlicher, fast wortloser Humor in diese Tristesse - unverhoffte Lachanfälle sind die Folge. (Es empfiehlt sich daher ein kleiner Taschentuchvorrat.) Spätestens dann, wenn Mitschülerin Kamma einen ihrer typischen Auftritte mitten im Unterricht hat. Ja, jedesmal bei Frau Andersens Lieblingsthema Bauchspeicheldrüse, muß sie dringend erzählen, was sie, ein Mädchen aus Reykjavik, auf Schulbrot hat: Heute etwa rohes Schafshirn. Und ergeht sich dann in skurrilen Erklärungen. |  | Man weiß nie genau, wohin die Geschichte führen wird, sagt der Autor. Lieber Bjarne Reuter, reisen sie doch bitte weiterhin - und bitteschön auch gerne auf Ihrem ganz eigenen "track"! |  |
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